Die Karlsruher Richter haben entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen wie auch Steuererstattungen mit 6 Prozent jährlich ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021, Az. 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17). Die von Finanzämtern erhobenen Zinsen von sechs Prozent jährlich bei verspäteter Steuerzahlung seien realitätsfern und verfassungswidrig. Das Urteil finden Sie hier.

Hintergrund:

Fällig werden die Zinsen, wenn sich eine Steuernachzahlung oder auch eine Steuererstattung um längere Zeit verzögert.

Der Zinssatz von monatlich 0,5 Prozent – dies entspricht 6 Prozent jährlich – wurde im Jahr 1961 eingeführt und entsprach viele Jahre den maßstabsrelevanten Verhältnissen am Geld- und Kapitalmarkt, sodass die 6 Prozent jährlich in den letzten 50 Jahren eine immer vertretbare Größenordnung waren. Mittlerweile sei die Größe aber nicht mehr vertretbar, denn die Niedrigzinsphase hält in Deutschland seit nunmehr 10 Jahren an.

Bereits in der Vergangenheit haben deshalb verschiedene Finanzgerichte die in Rede stehende Zinsregelung als verfassungswidrig erachtet. Trotzdem wollte die Bundesregierung zunächst die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts abwarten. Dieses hat nunmehr sein Urteil gefällt und hielt den Zinssatz von 6 Prozent jährlich bei verspäteter Steuerzahlung wie eingangs dargelegt für realitätsfern und verfassungswidrig. Geklagt hatten zwei Firmen, deren Gewerbesteuer nach einer Steuerprüfung deutlich nach oben korrigiert worden war. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nötigt den Gesetzgeber jetzt dazu, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

Wie hoch der Zinssatz letztlich sein darf, hat das BVerfG aber offengelassen. Der Präsident der Bund der Steuerzahler, Reiner Holznagel, äußerte dazu wie folgt: „Der Zinssatz muss auf deutlich weniger als die Hälfte des heutigen Zinssatzes gesenkt werden. Darüber hinaus muss der Gesetzgeber die Zinssätze regelmäßig prüfen, damit diese fair sind“. Es bleibt abzuwarten, welchen Steuersatz der Gesetzgeber für angemessen hält.

Der Zinssatz von jährlich 6 Prozent ist damit ab dem Jahr 2019 nicht mehr anwendbar. Für die Jahre 2014 bis 2018 ließen die Karlsruher Richter die beanstandete Zinsregelung hingegen in Kraft, sodass der Gesetzgeber für diesen Zeitraum nicht verpflichtet ist, rückwirkend eine verfassungsgemäße Regelung zu schaffen.

Ergebnis des Urteils

Für Steuerpflichtige bedeutet dieses begrüßenswerte Urteil, dass alle Steuerpflichtigen, dessen Bescheide noch nicht rechtskräftig geworden sind, aufgrund der Entscheidung die Rückzahlung von Verspätungszinsen erwarten können.