Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Ein Tarifvertrag, der für Leiharbeiter im Vergleich zum fest angestellten Stammpersonal ein geringeres Arbeitsentgelt vorsieht, muss diese ungleiche Bezahlung auf andere Weise ausgleichen und sog. Ausgleichsvorteile schaffen (EuGH, Urteil v. 15.12.2022, Az. C-311/21).

Leiharbeitnehmer erhält ein Drittel weniger Lohn

Der Entscheidung des EuGH liegt ein Arbeitsrechtsstreit aus Deutschland zugrunde. So klagte eine Leiharbeitnehmerin gegen ihren Arbeitgeber, da sie im Vergleich zum Stammpersonal ca. ein Drittel weniger Stundenlohn erhielt, obwohl die Klägerin und das Stammpersonal vergleichbare Tätigkeiten verrichteten. Die Klage war auf die Zahlung der oben genannten Differenz gerichtet.

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sieht nämlich grundsätzlich vor, dass einem Leiharbeitnehmer der gleiche Arbeitslohn wie einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer zusteht. Das AÜG enthält allerdings eine Ausnahme von dieser Regel und zwar für den Fall, dass die unterschiedliche Bezahlung – wie im vorliegenden Fall – in einem Tarifvertrag geregelt ist. Die Klägerin vertrat indes die Auffassung, die Ausnahmeregelung sei nicht mit Artikel 5 der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG und dem dort enthaltenen Grundsatz der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern vereinbar. Die Richtlinie im Volltext finden Sie hier.

Urteil des EuGH zum Equal Pay

Nachdem das Bundesarbeitsgericht dem EuGH die Angelegenheit mit der Frage vorgelegt hatte, ob das AÜG im Hinblick auf Artikel 5 der Leiharbeitsrichtlinie richtlinienkonform sei, urteilten die Richter aus Luxemburg, dass die Vereinbarung eines geringen Arbeitsentgelts in Tarifverträgen grundsätzlich möglich ist.

Allerdings muss der Tarifvertrag dann einen Ausgleich in Form anderer Vorteile schaffen. Beispielhaft ist die Gewährung zusätzlicher Freizeit zu nennen, also mehr Urlaubstage. Nur so seien die Leiharbeiter hinreichend geschützt.

Die genauen Kriterien und/ oder Bedingungen, wann ein solcher Ausgleichsvorteil gewährt wird und damit vom Equal Pay abgewichen kann, sind, so der EuGH, im Tarifvertrag festzuhalten und damit durch die Vertragsparteien zu bestimmen. Der Gesetzgeber ist hingegen nicht verpflichtet, entsprechende Regelungen zu schaffen. Soweit dann entsprechende Ausgleichsvorteile tarifvertraglich gewährt werden, ist eine Ausnahme vom Equal Pay zulässig.

Der EuGH betont insoweit, dass Tarifverträge mit solchen Regelungen einer wirksamen Kontrolle durch die Gerichte unterliegen. Das oberste europäische Gericht folgt damit den Empfehlungen des Generalanwalts, der sich in seinen Schlussanträgen zu dem Fall ebenfalls schon für einen Ausgleichsvorteil ausgesprochen hatte.

Die Pressemitteilung zu dem Urteil finden Sie hier.

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