Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 02.09.2020 (Az.: VIII ZR 35/19) zum Eigenbedarf entschieden: Getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten sind im mietrechtlichen Sinne Familienangehörige. Auch in Bezug auf diese Personen kann sich der Vermieter auf die Kündigung wegen Eigenbedarfs berufen.

Gemäß § 573 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Vermieter dem Mieter kündigen, sofern er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein solches Interesse liegt nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Sachverhalt

Dem Urteil des BGH lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die Vermieter eines Einfamilienhauses verklagten Ihren Mieter auf Räumung der Wohnung, nachdem sie das Mietverhältnis gekündigt hatten. Der Mietvertrag wurde im Jahr 2001 geschlossen. Der ursprüngliche Vermieter hatte das Mietobjekt im Jahr 2015 an seinen Sohn und dessen Ehefrau – die aktuellen Vermieter – verkauft. Bereits seit dem Jahr 2013 lebten die Erwerber und neuen Vermieter des Hauses getrennt. Die Ehe wurde letztlich im Juli 2016 geschieden. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Im Mai 2017 haben die nunmehr geschiedenen Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt.

Begründet wurde die Kündigung wegen Eigenbedarfs damit, dass die geschiedene Vermieterin mit den beiden Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten in das vermietete Haus einziehen wolle.

Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob die zwei Jahre nach der Veräußerung ausgesprochene Eigenbedarfskündigung möglicherweise unwirksam ist. Denn nach § 577a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 BGB ist nach der Veräußerung eines vermieteten Objekts an mehrere Personen eine Kündigung frühestens nach drei Jahren möglich. Diese Frist ist aber unbeachtlich, wenn die Erwerber derselben Familie angehören.

Eigenbedarf – Ja oder nein?

Der BGH entschied: Die Eigenbedarfskündigung ist wirksam.

Das Gericht vertritt die Ansicht, dass die Erwerber und jetzigen Vermieter trotz der Trennung und der darauf folgenden Scheidung derselben Familie im Sinne von § 577 Abs. 1a Satz 2 BGB angehören. Die dreijährige Sperrfrist war von den Vermietern daher nicht einzuhalten.

Der BGH hat für seine Entscheidung die Wertungen der Vorschriften über ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen herangezogen. Dort wird der Kreis privilegierter Familienangehöriger allein anhand typischer persönlicher Nähebeziehungen bestimmt. Auf eine tatsächliche persönliche Bindung kommt es nicht an.

Damit sind diejenigen Personen, denen die Zivilprozessordnung (ZPO) ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen zugesteht, Familienangehörige i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, zu deren Gunsten eine Eigenbedarf -kündigung ausgesprochen werden kann.

Hierzu gehören nach Ansicht der obersten Richter auch Ehegatten, die voneinander getrennt leben, die Scheidung beantragt haben oder die Scheidung bereits sogar vollzogen haben.

Für den Begriff des Familienangehörigen gemäß § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB gilt nichts anderes. Auch insoweit ist ein Ehegatte – und zwar unabhängig vom Fortbestand der Ehe – Familienangehöriger. Die in  § 577a BGB normierte Sperrfrist von drei Jahren ist daher auch in einer solchen Konstellation unbeachtlich.

Darüber hinaus stellt der BGH noch klar, dass die Sperrfrist auch nicht deshalb Anwendung kommt, weil nicht beide Vermieter, sondern nur die nunmehr geschiedene Vermieterin mit weiteren Familienangehörigen in das Haus einziehen will. § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB setzt nicht voraus, dass die Erwerber bzw. die neuen Vermieter, die zu derselben Familie gehören, den vermieteten Wohnraum nun auch gemeinsam nutzen möchten.

Die Richter des höchsten deutschen Gerichts zeigen mit ihrem Urteil noch einmal deutlich auf, dass es im Bereich des Mietrechts auf eine tatsächliche persönliche Bindung nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr, wie die Beziehung zwischen den Familienangehörigen nach objektiven Kriterien typischerweise zu bewerten ist. Hierfür orientieren sich die Richter an den Grundsätzen zum Zeugnisverweigerungsrecht.

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