Die Ausbreitung des Corona -Virus beschäftigt derzeit alle Menschen und Branchen. Die Ausbreitung hat zunehmend weltweite Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen. Viele stellen sich deshalb die Frage, wie die eigene Geschäftstätigkeit von dem Corona -Virus beeinträchtigt werden kann und welche rechtlichen Folgen dies nach sich ziehen kann.

1.Höhere Gewalt / “Force Majeure“

Viele Lieferverträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen enthalten sogenannte „Force Majeure“-Klauseln. Im deutschsprachigen Raum werden diese als „Höhere Gewalt“-Regelungen bezeichnet.

Höhere Gewalt liegt immer dann vor, wenn ein schadenverursachendes Ereignis von außen auf das Unternehmen einwirkt und dieses Ereignis der Kontrolle der Vertragsparteien entzogen ist. Solch unabwendbare Ereignisse im Rahmen der höheren Gewalt sind beispielsweise: Naturkatastrophen (Erdbeben, Überschwemmungen, Unwetter etc.), Krieg, Streiks, Bürgerkriege, Embargos, etc.

Die Rechtsfolge eines Ereignisses, welches höherer Gewalt zuzuordnen ist, ist der zumindest vorübergehende Entfall der Leistungspflicht der betroffenen Partei sowie der Ausschluss von Schadenersatzverpflichtungen gegenüber dem Vertragspartner. Es trifft die betroffene Partei insoweit kein Verschulden für verspätete oder ausbleibende Lieferungen. Es bleibt allerdings zu berücksichtigen, dass nach aktueller deutscher Rechtsprechung Unternehmen gehalten sind, sämtliche Lieferketten so zu organisieren, dass im Fall der Fälle ein Ausfall kompensiert werden kann. Hier ist also eine genaue einzelfallabhängige Betrachtung notwendig, inwieweit die Unmöglichkeit der Lieferung/Leistung hätte vermieden werden können.

2. Corona -Epidemie als Höhere Gewalt?

Aufgrund der Aktualität der Ereignisse ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Verbreitung des Corona Virus ein Fall höherer Gewalt ist.

Bei der Einstufung kann es auch zu Unterschieden je nach zugrunde liegender Rechtsordnung kommen.

Eine Parallele kann zu der SARS-Epidemie im Jahr 2002 in China gezogen werden. Damals hat das oberste Gericht der Volksrepublik China entschieden, dass sämtliche Beeinträchtigungen, die durch die SARS-Epidemie verursacht wurden, als Ereignis im Sinne höherer Gewalt einzustufen sind. Diese rechtliche Bewertung ist wohl auch auf die derzeitige Ausbreitung des Corona -Virus zu übertragen.

3. Behördliche Maßnahmen

Sollten Sie oder ein Zulieferer von einer behördlichen Schließung betroffen sein (zum Beispiel durch eine Quarantäne-Anordnung), so kann auch dies einen Fall höherer Gewalt darstellen, da die Ursache für die behördliche Anordnung in einem unvorhersehbaren Ereignis lag.

Sofern sich ein Lieferant auf höhere Gewalt beruft, sollten Sie dies sich schriftlich bestätigen lassen und entsprechende Nachweise prüfen.

4. Versicherungsschutz

Bei solchen Ereignissen stellt sich auch die Frage, inwieweit Versicherungen einen entsprechenden Schutz für die Unternehmen bieten können. Leider bleibt festzuhalten, dass die üblichen Versicherungen diesbezüglich keinen Schutz bieten. Etwaige Betriebsunterbrechungsversicherungen knüpfen in der Regel an einen Sachschaden an, der durch die versicherte Gefahr verursacht wurde. Ein solcher Fall liegt jedoch bei einer Betriebsschließung aufgrund einer Epidemie jedoch nicht vor. In jedem Falle ist es erforderlich, die zugrunde liegende Versicherungspolice genau zu prüfen, da es auch Spezialversicherungen gibt, die bei Epidemien eingreifen.

5. Arbeitsrecht

 

a) Entgeltfortzahlung

Arbeitnehmer bleibt zu Hause

Erscheint der Arbeitnehmer aus seiner eigenen freien Entscheidung nicht zur Arbeit, beispielsweise weil er Angst vor Infektionsrisiken hat, ohne dass er erkrankt ist oder auf Grund behördlicher Anordnung unter Quarantäne gestellt ist, hat er keinen Anspruch auf Entgeltzahlung. Im Zweifel fehlt der Arbeitnehmer unentschuldigt und verletzt dadurch seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Arbeitsrechtliche Sanktionen, Abmahnung und nachfolgend gegebenenfalls Kündigung, können gerechtfertigt sein.

Keinen Anspruch auf Entgeltzahlung hat der Arbeitnehmer auch dann, wenn es ihm auf Grund eines Ausfalls der öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich ist, zur Arbeit zu erscheinen. Hier greift der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer das sogenannte Wegerisiko trägt.

Arbeitgeber stellt frei

Stellt der Arbeitgeber seine Mitarbeiter von der Arbeit vorsorglich frei, ohne dass eine entsprechende behördliche Anordnung ihn dazu zwingt, behalten die freigestellten Mitarbeiter ihren Anspruch auf Entgeltzahlung. Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug und muss deshalb die vertraglich geschuldete Vergütung ungekürzt weiter zahlen.

Kinderbetreuung

Kann der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheinen, da er zu Hause seine Kinder betreuen muss, ist nach dem Grund zu differenzieren.

Ist die Betreuung von Kindern erforderlich, weil diese erkrankt sind, greifen die allgemeinen Grundsätze. Der Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 616 BGB haben, sofern dieser Anspruch nicht vertraglich ausgeschlossen ist. Im Übrigen kann der Arbeitnehmer einen Anspruch gegenüber seiner Krankenkasse gemäß § 45 SGB V geltend machen.

Ist das Kind hingegen nicht erkrankt, kann vielmehr auf Grund einer präventiven Schließung des Kindergartens oder der Schule auf Grund behördlicher Anordnung dort nicht betreut werden, kann ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber allein auf der Grundlage des § 616 BGB bestehen. Dies setzt voraus, dass die Anwendbarkeit dieser Norm nicht im Arbeitsvertrag ausgeschlossen ist. Der Anspruch kann jedoch nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ geltend gemacht werden. Im Falle der notwendigen Pflege erkrankter naher Angehöriger wird dieser Zeitraum im Allgemeinen auf fünf (teilweise zehn) Tage begrenzt. Geht die Schließung/der Betreuungsbedarf über diesen Zeitraum hinaus, besteht von vornherein kein Anspruch aus § 616 BGB, d.h. auch nicht für den ersten Zeitabschnitt.

Arbeitnehmer ist auf Grund einer Infektion arbeitsunfähig erkrankt

Ist der Arbeitnehmer auf Grund einer Infektion mit dem Corona -Virus arbeitsunfähig erkrankt, steht ihm grundsätzlich ein Entgeltfortzahlungsanspruch für die allgemeine Dauer von sechs Wochen gegenüber dem Arbeitgeber zu (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG).

Arbeitnehmer steht unter behördlicher Quarantäne

Kann ein Arbeitnehmer auf Grund einer behördlich angeordneten Quarantäne gemäß § 30 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht zur Arbeit erscheinen oder unterliegt er einem behördlichen Beschäftigungsverbot gemäß § 31 IfSG, so steht ihm gemäß § 56 IfSG ein Anspruch auf Erstattung des anfallenden Verdienstausfalls gegenüber dem Staat zu. Der Arbeitgeber schuldet in diesem Fall keine Entgeltfortzahlung.

Jedoch bestimmt § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG, dass der Arbeitgeber für den Staat in Vorleistung tritt und Auszahlstelle für den Staat ist. Der Arbeitgeber kann sich die geleisteten Zahlungen dann erstatten lassen. Wichtig ist, dass Erstattungsanträge form- und fristgerecht bei der zuständigen Behörde gestellt werden.

Hat sich der Arbeitnehmer mit dem Virus infiziert und unterliegt er gleichzeitig einem behördlichen Beschäftigungsverbot, stellt sich die Frage, ob ein Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 3 EFZG wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber besteht. Dies ist wohl abzulehnen. Zum einen gilt gemäß dem EFZG der Grundsatz der Monokausalität. Das bedeutet, dass allein die Erkrankung Grund für die Unfähigkeit, die Arbeitsleistung zu erbringen, sein darf. Zum anderen geht nach herrschender Meinung die öffentlich-rechtliche Zwangswirkung des Beschäftigungsverbots vor, so dass allein ein Anspruch gemäß § 56 IfSG besteht. Zu beachten ist in diesem Fall jedoch, dass der Arbeitgeber nicht versehentlich Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EFZG leistet, da durch die eigentlich nicht geschuldete Entgeltfortzahlung der Anspruch gemäß § 56 IfSG ausgeschlossen würde und der Arbeitgeber auf den Kosten hängen bleibt.

Behördliche Schließung des Betriebs

Wird der Arbeitgeber durch behördliche Anordnung gezwungen, seinen Betrieb oder Teile davon wegen eines Infektionsrisikos stillzulegen, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber nach der sogenannten Betriebsrisikolehre Entgeltfortzahlung an die Arbeitnehmer leisten muss. Letztlich ist dies eine Frage der Risikozurechnung, wobei danach zu fragen ist, ob das Risiko für den Arbeitgeber beherrschbar ist oder in der Eigenart des Betriebes angelegt ist. Allgemeine Gefahrenlagen, etwa durch Kriege, Unruhen und Terroranschlägen, gehören nicht zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers. Entsprechendes wird auch für Epidemien vertreten. Für diese Ansicht spricht Einiges. Demnach wäre der Arbeitgeber nicht zur Zahlung verpflichtet. Allerdings ist diese Frage durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.

Auftrags- und Rohstoffmangel

Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht beschäftigen, da er auf Grund eines Auftrags- oder Rohstoffmangels nicht produzieren kann, unterfällt dies hingegen eindeutig dem vom Arbeitgeber zu tragenden Unternehmerrisiko. Das gilt auch dann, wenn der Auftrags- oder Rohstoffmangel beispielsweise auf eine Corona -Epidemie zurückzuführen ist. Der Arbeitnehmer hat in einer derartigen Situation – zeitlich unbeschränkt – einen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts.

 

b) Kurzarbeit

Für den Arbeitgeber besteht in derartigen Situationen grundsätzlich die Möglichkeit, den drohenden Schaden durch Anordnung von Kurzarbeit zu vermeiden oder zumindest zu verringern. Die Regierungskoalition hat hierzu jüngst ein Maßnahmenpaket beschlossen, das die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld senken und die Arbeitgeber auch von den Beiträgen zur Sozialversicherung entlasten soll.

Zu bedenken ist aber, dass die Anordnung von Kurzarbeit einer individualvertraglichen oder kollektivrechtlichen Grundlage bedarf. Demnach müssen die Arbeitsverträge, ein anwendbarer Tarifvertrag oder eine mit dem Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, einseitig Kurzarbeit anzuordnen. Existiert eine derartige Rechtsgrundlage nicht, kann der Arbeitgeber nicht einseitig Kurzarbeit einführen. Er ist dann auf entsprechende Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern angewiesen.

 

c) Abbau von Überstunden und Urlaub

Kommt es zum Arbeitsausfall, kann der Arbeitgeber den Abbau von Überstunden nur dann einseitig anordnen, wenn ihm hierfür eine wirksame Ermächtigung in den Arbeitsverträgen oder in einer geltenden Betriebsvereinbarung zur Seite steht.

Zwangsurlaub anordnen kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht. Er könnte allenfalls mit einem bestehenden Betriebsrat Betriebsferien vereinbaren, sofern es möglich sein sollte, kurzfristig die dafür erforderliche Vereinbarung mit dem Betriebsrat zu erzielen.

Weitere aktuelle Informationen finden Sie auf der Internetseite des Robert-Koch-Instituts.

Bei Fragen können Sie sich jederzeit gerne an uns wenden:

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